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  Radio 19.04.2024 07:14 (UTC)
   
 
Vom RIAS zur "Antenne"
oder
Der Niedergang der Radiokultur

Es gab mal Zeiten, da war Radio noch das, was es ursprünglich sein sollte: Ein Informationsmedium, gepaart mit Unterhaltung. Das war einmal...früher, als der "öffentlich rechtliche Rundfunk" die einzigen Sender stellte.
Es war in dieser Zeit, als ich zum Musikfan wurde - mit dem Radio als einziger Quelle.
Mein Mitschneidemedium war ein Grundig-Radiorecorder. Täglich lauschte ich von 16 bis 18 Uhr dem RIAS Treffpunkt. Dazu kamen die legendären "Schlager der Woche" auf Bayern 2, später Bayern 3 (Freitag 18 bis 19 Uhr, RIAS 20 - 21.30 Uhr). Nicht zu vergessen übrigens das "Schlagerderby" auf DLF mit Carl Ludwig "Carlo" Wolff (das leider nur über Mittel- und Langwelle zu empfangen und damit "aufnahmeuntauglich" war). Und wenn mal die eine oder andere Sendung verpasst wurde - irgendein Freund hatte immer mitgeschnitten, und mittels Überspielkabel wanderten die aktuellen Hits schnell auf die eigene Cassette.
Der Rest der Radiowelt war seichte Unterhaltung, wunderbar bieder eben ("In der Stunde der Melodie hören Sie.... Sechs Minuten vor den Nachrichten Werbefunk"; wunderbar waren auch die Nachrichten in englischer, französischer und italienischer Sprache).
Aus diesem Einerlei stach für uns damals Jugendliche nur ein Sender hervor: der RIAS. Gegründet von unseren überseeischen Freunden, um die Bevölkerung der DDR über das wahre Weltgeschehen zu unterrichten, hatten wir Oberfranken das Glück, dass auch in Hof ein Sender eingerichtet wurde, der RIAS 2 auf UKW und damit in guter Qualität ausstrahlte.
Dieser Sender bot verschiedenen Bevölkerungsgruppen zugeschnittene Magazinsendungen und ausführliche politische Berichterstattung. Und etwas heute Unvorstellbares: Keine Werbung! Ein Teil des Programms waren Sendungen, speziell für jüngere Hörerschichten bestimmt. Der tägliche RIAS-Treffpunkt (Samstags mit Popmusik nach Hörerwünschen) war das Highlight. Unter der Woche, da quatschten die Moderatoren oft in die Musik rein und ich habe mich fürchterlich aufgeregt. Aber am Samstag, da hieß es immer "Bitte schneiden!".
 
Der RIAS-Schriftzug auf dem Gebäude am Hans-Rosenthal-Platz in Berlin steht
heute unter Denkmalschutz

Immer freitags liefen die "Schlager der Woche", mit dem legendären Moderator Lord Knud. Der machte das über 10 Jahre lang, bis er wegen eines dümmlichen Spruches ("Ich mag Frauenbewegungen, so lange sie rhythmisch sind") aus dem Sender flog.
Das absolut Beste aber war "Rock over RIAS", ein Sechsnächte-Musikmarathon, den es in der zweiten Hälfte der 70er Jahre immer zwischen Weihnachten und Neujahr gab. In Format und Niveau ist diese lose Sendereihe bis heute unerreicht. Jede Nacht ab 22 Uhr war "Rock-over-RIAS-Time". In der DDR waren zu dieser Zeit grundsätzlich die Leercassetten ausverkauft, und ich kam selten vor 4 Uhr ins Bett. Was damals über den Äther kam, kann nur mit diesem Prädikat versehen werden: Beste Rockmusiksendung aller Zeiten. Drei (bzw. vier) Moderatoren, jeder ein Spezialist auf verschiedenen Gebieten, wechselten sich ab, am Telefon warteten Fachleute auf Anrufe der Hörer. Jede Sendung stand unter einem anderen Motto. Ich spielte Unmengen von Cassetten voll (und bin stolz darauf, einige noch heute zu besitzen), und ziehe den Hut vor Moderatoren wie Barry Graves, Walter Bachauer (beide leider viel zu früh verstorben), Olaf Leitner, Burghard Rausch (Rock over RIAS) sowie Nero Brandenburg (verstorben 20.08.2022), Gregor Rottschalk, Holly Jane Rahlens, Christian Graf oder Klaus Peter Wolf (Treffpunkt). Die hatten wirklich Ahnung von dem, was sie dem Hörer rüberbringen wollten, und waren keine austauschbaren Leerquatscher.


Das RIAS-Programm vom 27.12.1977. 16 und 22 Uhr
waren die "Pflichtzeiten" für mich

 
Auch "Bayern 3" hatte einige Jahre später die Zeichen der Zeit erkannt und sein Programm zumindest teilweise an die jüngere, aber mündige Hörerschaft angepasst. Der unvergessene "Mr. Music" (Jürgen Herrmann / Rainer Gerhardt) oder Thomas Gottschalk mit seiner Sendung "Pop nach Acht" (er bezog erstmals Hörer aktiv in die Sendung ein - legendär waren die Grüße von Hörer zu Hörer) waren geradezu revolutionär.
Und heute? Der RIAS ist schon lange tot (1992 abgeschaltet), aber genau genommen starb RIAS 2 schon Anfang der 80er, als die "Jugendwelle" eingerichtet wurde. Keine Musikredaktion mehr, Dudelradio mit Musik von der Stange. Die Klassemoderatoren liefen dem Sender in Scharen davon.
Aber das war noch gar nichts gegen das, was uns heute aus den Lautsprechern serviert wird. Die Privatsender haben die Regentschaft übernommen, und da sind fast alle gleich: Spiegelbilder der Spaß-Gesellschaft. Nur gespielte gute Laune und Gequatsche über Unwichtiges und noch Unwichtigeres, wenig Musik (die dazu noch immer gleichen Songs werden dann auch noch oft geschnitten bzw. abgewürgt, damit die Werbung noch in die Sendung passt), Mehrfachmoderation (damit eine(r) über die verkrüppelten Witze des anderen lachen kann; warum braucht man für Hauptmoderation, Nachrichten, Wetter und Verkehrsdurchsagen fünf unterschiedliche Personen?), unsägliche "Comedy" (nicht einmal Deppen können da wahrscheinlich mehr darüber lachen!), dünnblütige Wettbewerbe übers Telefon (und die Telekom lacht sich ins Fäustchen...) und Gespräche mit Hörern, die nur eine einzige Frage aufkommen lassen: Wen interessiert das eigentlich? Traurig ist zudem, dass sich die "Öffentlich-Rechtlichen" diesem Niveau problemlos angespasst haben und teilweise noch unterirdischeres Niveau erreicht haben als die Privaten. Ausnahmen (beispielsweise Bremen 1 - mit dem unvergleichlichen und unverwüstlichen Beat-Club -, WDR 2 und 4 und Bayern 1 ("Fritz und Hits" - ein Juwel!) bestätigen zum Glück die Regel.
Nur wenn man spät abends einschaltet, wirds auf einmal niveauvoller. Die große Masse der Werbekonsumenten liegt ja nun im Bett, und plötzlich bekommt der geneigte Hörer nicht nur gute Musik serviert sondern auch noch qualifizierte, sachliche Informationen dazu. Es geht also doch noch...
Bleibt das Internetradio, wo man bei richtiger Senderwahl noch wirklich gute Rockmusik hören kann. Dort muss ich mir nicht das unsägliche Gequatsche anhören und auch nicht die immer gleiche, mich teilweise anödende Musik.
Warum sich dieses Nullniveau im Radio trotzdem durchsetzt, habe ich mittlerweile auch begriffen. Die Quote machts. Denn in einem Land, wo "Fernsehsendungen" (eigentlich sind das Menschenzoos!) wie "Germany's next Topmodel" oder "Deutschland sucht den Superstar" Top-Einschaltquoten erreichen und der Zuschauer begeistert stundenlang abgehalfterte "Stars" beim Würmerfressen in australischen "Dschungel(???)camps" anguckt oder "Bauern" beim Frauen suchen zuschaut, verdient (und braucht) der Hörer offensichtlich nichts anderes.

Wer mal Lust hat, in das "alte Radio" reinzuhören, dem sei diese Seite empfohlen:



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  Letztes Update: 28.12.2023
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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